Serielle Sanierung: Neue Hülle für alte Plattenbauten
- Bettina Dessaules
- 7. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Die energetische Sanierung von Wohngebäuden ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Vor allem bei Plattenbauten stehen wir vor der Herausforderung, Tausende Wohneinheiten effizient, wirtschaftlich und klimafreundlich zu modernisieren. Ein innovativer Ansatz könnte genau hier die Lösung bieten.
Von der Platte zur modernen Wohnung
In Ludwigsfelde, südlich von Berlin, wurde ein erstes Pilotprojekt zur seriellen Sanierung eines typischen Plattenbaus umgesetzt. Die kommunale Wohnungsgesellschaft "Märkische Heimat" sanierte einen 102 Meter langen WBS 70-Plattenbau mit 82 Wohnungen – und das bei laufendem Betrieb. Die Bewohner konnten während der Arbeiten in ihren Wohnungen bleiben.
Durchgeführt wurde die Sanierung von SEERIA RENOVA, einem Zusammenschluss der Ingenieurgesellschaft BBP Bauconsulting, REMA Haustechnik aus Frankfurt (Oder) und MATEK AS. Das Projekt gilt als Vorbild für vergleichbare Vorhaben in Deutschland und Osteuropa.
Der WBS 70 – Ein Klassiker der industriellen Bauweise
Der WBS 70 (Wohnungsbauserie 70) war der am weitesten verbreitete Plattenbautyp in der DDR. Entwickelt Ende der 1960er Jahre von der Deutschen Bauakademie und der Technischen Universität Dresden, wurde er ab 1973 in großer Stückzahl errichtet. Die Bauweise setzte auf standardisierte, vorgefertigte Großtafelelemente, die eine schnelle und kostengünstige Errichtung ermöglichten. Auch Variationen im Grundriss waren möglich, sodass sich unterschiedliche Wohnungsgrößen realisieren ließen. Typische Drei-Raum-Wohnungen hatten eine Fläche von etwa 60 bis 66 Quadratmetern.
Trotz der schlichten Architektur boten die Wohnungen modernen Komfort: Zentralheizung, Warmwasserversorgung und private Badezimmer waren Standard. Bis 1990 entstanden rund 1,9 Millionen Wohnungen dieses Typs, die bis heute das Stadtbild vieler ostdeutscher Städte prägen.
Wie funktioniert serielle Sanierung?
Im Gegensatz zu herkömmlichen Sanierungen werden bei der seriellen Sanierung vorgefertigte Elemente eingesetzt. Zwischen Oktober 2024 und April 2025 montierten die Fachleute insgesamt 228 vorgefertigte Holzfassadenelemente, inklusive Wärmedämmung und dreifach verglasten Fenstern.
Die Vorteile im Überblick
Schnellere Bauzeit: Die Montage erfolgt effizient und strukturiert.
Kein Auszug notwendig: Die Bewohner bleiben während der Arbeiten in ihren Wohnungen.
Hohe Qualität: Die Vorfertigung sichert gleichbleibende Standards.
Kosteneffizienz: Standardisierte Elemente reduzieren langfristig die Kosten.
Das Energiesprong-Prinzip
Das Projekt in Ludwigsfelde orientiert sich am Energiesprong-Prinzip, das ursprünglich in den Niederlanden entwickelt wurde. Die Idee: Mit vorgefertigten Bauteilen wird das Gebäude auf ein Niveau gehoben, das einem Nullenergiehaus entspricht – oder diesem sehr nahekommt.
Neben der neuen Fassade umfasst das Konzept oft ein neues Dach mit PV-Anlage, eine moderne Heizungsanlage und smarte Haustechnik. Das Ziel: Der Energieverbrauch sinkt so stark, dass die Einsparungen langfristig die Sanierungskosten ausgleichen.
Herausforderungen vor Ort
Die serielle Sanierung ist effizient, stellt jedoch hohe Anforderungen an die Planung und Koordination. Da die Bewohner während der Bauphase in ihren Wohnungen bleiben, sind klare Wegeführungen und eine abgestimmte Baustellenlogistik notwendig, um den Alltag nicht zu beeinträchtigen.
Auch das Berufsbild der Bauleitung verändert sich: Neben der technischen Planung rückt der direkte Kontakt zu den Bewohnern in den Vordergrund. Kommunikation und Einfühlungsvermögen werden entscheidend, um den Sanierungsprozess reibungslos und transparent zu gestalten.
Zwischen Nostalgie und Energieeffizienz
Der sanierte Plattenbau in Ludwigsfelde steht in starkem Kontrast zu einem unsanierten Nachbargebäude. Der Unterschied ist sichtbar: Während der alte Bau energetisch ineffizient und optisch überholt wirkt, zeigt der sanierte Block, welches Potenzial in der seriellen Sanierung steckt. Die typischen Fassaden der alten Plattenbauten entpuppen sich als wahre Energiefresser – ein Zustand, den wir uns in Zeiten des Klimawandels nicht mehr leisten können.
Die serielle Sanierung bietet hier eine vielversprechende Lösung, um den Sanierungsstau bei Plattenbauten effizient und nachhaltig abzubauen.
Mehr erfahren
Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, kann unsere Podcast-Folge "Platte für Platte und ein Blick nach Osteuropa“ hören. Dort spreche ich mit Knut Höller ausführlich über die Chancen der seriellen Sanierung: LINK
Weitere Informationen zum Energiesprong-Prinzip finden sich hier: www.energiesprong.de